Der Botanische Garten in Karlsruhe

Botanischer Garten

Panoramavideo

Der Botanische Garten in Karlsruhe ist ein Park- und Stadtraumensemble des badischen Architekten Heinrich Hübsch, das in der Planung bereits 1837 mit der Kunsthalle begonnen und nach 1857 durch den Bau der Gewächshäuser vollendet wurde. Das Gelände war seit 1754 als Blumen- und Küchengarten ausgewiesen und durch 3 ältere Orangeriegebäude aus der Gründungszeit der Residenz gegen den Schloßplatz begrenzt.

Die besondere Leistung von Hübsch aber war die Schaffung eines umschlossenen Raumes, der zugleich als Kulturforum mit Kunstmuseum und Theater zwischen Schloßpark und Stadt vermitteln sollte. Die Schwierigkeit seiner Aufgabe bestand in der Vorgabe durch den Strahlen- oder Fächergrundriß. Das für den Botanischen Garten vorgesehene Gelände hatte die Form eines Dreiecks, dessen Spitze gegen den Schloßturm als Mittelpunkt der Residenz gerichtet war. Dort verengte sich der Raum, so daß dieser ungünstigen Situation mit Architektur und Gartenkunst entgegengewirkt werden mußte. Hübsch bewältigte sie durch die große ausschwingende Exedra des „italienischen Gartens“ der gerade dort das Gelände erweitert, wo das Zusammendrängen der Begrenzungslinien kritisch wird. In der Komposition seiner Bauten löste er sich von der bisher befolgten Tradition. Seine Gewächshäuser bilden eine Kette aus unterschiedlich gestalteten Einzelgebäuden, die mit gestreckter oder höher aufragender Kontur, mit mehr geschlossenen oder transparenten Fassaden in reizvollem Kontrast nebeneinander gesetzt sind.

Blausterne im Botanischen Garten

Vergrößerung

Das Bewundernswerte an diesem Ensemble aber ist die Asymmetrie der Gesamtanlage. Es gibt keine Hauptachse, und mit dieser asymmetrischen Gestaltung ist das Werk von Hübsch eine typische Komposition der Spätromantik, von der aus viele reizvolle, aber unausgeführte Projekte bekannt sind, doch hier in Karlsruhe in einem so großen und in sich geschlossenen Rahmen realisiert werden konnte. Im Rundbogenstil errichtet, entstand durch die Kombination von Sandstein und keramischen Bauelementen eine polychrome Fassadenarchitektur. Sie ist der Hintergrund für eine Gartengestaltung, die uns die Bauten zum Teil verschleiert , dann auch wieder öffnet, um die Wandgliederungen in ihrer farbigen Schönheit zu zeigen.

Mit dem Baumbestand wurde die Spitze des dreieckigen Geländes versteckt. Dort schuf man ein kleines Wäldchen, das den umfaßten Freiraum zu einem Trapez werden läßt. So ergeben sich ganz unterschiedliche Perspektiven, mit denen sich der Garten streckt oder weitet. Und diesen Eindruck verstärkt noch der Bewuchs durch Bäume und Sträucher, mit denen der Kontrast von einhüllender Geborgenheit und lichter Weite angespielt wird.


Veränderungen des Botanischen Gartens durch das Bundesverfassungsgericht

BVG - Sicht aus dem Garten Nach den Kriegszerstörungen wurden die beiden alten Orangeriegebäude der Barockzeit und das gleichfalls ausgebrannte Theater von Heinrich Hübsch abgerissen. Auf der leergeräumten Fläche entstand nach einem Wettbewerb ­1962-69 das Bundesverfassungsgericht als Gebäudegruppe des Berliner Architekten Paul G.R. Baumgarten. Ihm gelang es, die geforderte Raummenge in pavillonartigen Baukörpern unterzubringen, die mit ihrer Transparenz den Botanischen Garten vom Schloßplatz nicht abriegeln, sondern so weit wie möglich sichtbar lassen wollten. In ihrer lockeren Gruppierung nehmen sie die frühere Bauflucht zum Schloß nur teilweise auf, ergeben vor- und zurückgesetzt zur Platz- und Straßenseite einen empfangenden Vorhof und antworten in ihrer Asymmetrie auf das ältere Gewächshausensemble des Botanischen Gartens. In der Höhe gestaffelt, hebt sich der Hauptpavillon mit dem großen Sitzungssaal besonders hervor, ohne die Gebäudegruppe zu dominieren.

Durch die deutsche Wiedervereinigung hat sich nun die Arbeitslast des Gerichtes um ein Vielfaches vergrößert, damit auch das Personal, und die dadurch entstandene Raumnot nahm so dramatisch zu, daß an eine Erweiterung der Gebäude gedacht werden mußte. Hiermit begannen die Schwierigkeiten einer Planung, die sowohl auf den denkmalgeschützten Garten, zugleich aber auch auf das ausgewogene Spiel der Pavillonkomposition des Architekten Baumgarten Rücksicht nehmen muß. Eine Verlagerung des Gerichtes kommt nicht in Frage, da inzwischen auch die moderne Architektur an diesem repräsentativen Ort der Stadt zu einem Wahrzeichen der Demokratie und des Rechts geworden ist. Ein Aufstocken des ehemaligen Kasino-Pavillons wäre denkbar, müßte aber mit dem zeitweiligen Auszug der dort untergebrachten Mitarbeiter in Kauf genommen werden. Die Störung im Arbeitsablauf des ohnehin schon übermäßig belasteten Gerichts ist unzumutbar, so daß nur das Angliedern eines neuen Baukörpers in Frage kommt. Hierbei ist aber die Richtung der Erweiterung ein äußerst kritisches Problem. Es scheint sich zunächst eine große Rasenfläche im Botanischen Garten anzubieten. Damit aber wird die Raumidee des Architekten Heinrich Hübsch nicht nur beeinträchtigt, sondern zum Teil sogar zerstört. Dieser Schaden aber droht der Stadt und ihren Bürgen durch den bereits schon ausgeschriebenen Realisierungswettbewerb. Um einen Neubau an der falschen Stelle zu verhindern, wurde die „Initiative Botanischer Garten“ gegründet. Es ist ihr sehr wohl bewußt, daß zusätzlicher Raum für das Gericht geschaffen werden muß. Aber 40 Arbeitszimmer mit einer „Bewirtungsmöglichkeit“ und einer späteren Erweiterung für 20 zusätzliche Räume ergeben keinen kleinen Anbau, der noch schonend auf der Gartenseite angegliedert werden kann. Es muß nach besseren Möglichkeiten gesucht werden, und da es sich hierbei um eine sehr schwierige Entwurfsaufgabe handelt, sollten erfahrene, vor allem bewährte Architekten herangezogen werden, die ihr Können schon unter Beweis gestellt haben oder sich durch den Wettbewerb als geeignet erweisen.

Text:  Prof. Dr.-Ing. Manfred Klinkott | Druckversion | Lange Version


BNN 13.06.02 | FAZ 10.06.02 | Kurier 19.07.02 | SZ 30.08.02 |